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MEDIENMITTEILUNG

August 28, 2025

Vier Tage nach bewaffnetem Angriff: Ocean-Viking-Crew weiterhin an Bord festgesetzt wegen langwieriger und unangemessener Tuberkulose-Protokolle

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August 28, 2025

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Vier Tage nach bewaffnetem Angriff: Ocean-Viking-Crew weiterhin an Bord festgesetzt wegen langwieriger und unangemessener Tuberkulose-Protokolle.

Zürich, 28.08.2025 – Die Ocean Viking, das Seenotrettungsschiff von SOS MEDITERRANEE, das in Partnerschaft mit dem IFRC gechartert ist, hat am Montag, den 25. August, 87 Überlebende in Augusta, Sizilien, an Land gebracht. Seither liegt es auf Anweisung der Behörden vor dem Hafen vor Anker. 34 Personen, darunter 25 Mitarbeitende von SOS MEDITERRANEE und dem IFRC sowie 9 Personen der Schiffscrew, sitzen seither auf dem Schiff fest und dürfen weder an Land gehen noch erhalten sie die notwendige Unterstützung.

Während der Anlandung wurde ein Überlebender – ein unbegleiteter Minderjähriger – von USMAF (den italienischen Gesundheitsbehörden, die für die sanitäre Kontrolle bei der Ankunft zuständig sind) isoliert und auf Tuberkulose (TB) getestet. Das Ergebnis war positiv.  Der Fall war zuvor bereits von dem medizinischen Team an Bord erkannt worden. Gemäss unseren medizinischen Protokollen wurde umgehend ein Isolationsverfahren eingeleitet. Der Patient wurde zudem zur medizinischen Weiterbehandlung an die italienischen Gesundheitsbehörden verwiesen. Infolgedessen verweigerten die italienischen Gesundheitsbehörden der MV Ocean Viking die „Free Pratique“ – eine Erklärung, die bedeutet, dass das Schiff frei von Infektionskrankheiten ist und Voraussetzung für die Genehmigung zur Anlandung der Crew.

Die anderen Überlebenden befinden sich derzeit in einem provisorischen Camp im Hafen von Augusta, wo sie wahrscheinlich bis zum Ende ihrer Quarantänezeit bleiben werden. Kollegen der EUAA (Europäische Asylagentur) und des IRC (International Rescue Committee) waren gestern vor Ort, um Unterstützung zu leisten und Informationen auszutauschen. Uns wurde mitgeteilt, dass das Camp mit Klimaanlage, chemischen Toiletten und Feldbetten ausgestattet ist. Es gibt Zugang zu WLAN, sodass die Geretteten ihre Familien kontaktieren können.

Am Mittwoch, 27. August, kam um 11:19 Uhr italienisches Gesundheitspersonal an Bord des Schiffes, um bei allen Crewmitgliedern den sogenannten Mantoux-Test (Tuberkulin-Hauttest) durchzuführen. Die Ergebnisse des Mantoux-Tests benötigen 48 bis 72 Stunden und werden zwischen Freitag, 29. August, und Samstag, 30. August, erwartet. Personen, die mit dem BCG-Impfstoff geimpft sind, können ein positives Ergebnis anzeigen. USMAF hat uns informiert, dass diese Personen zur Ausschlussdiagnostik einer aktiven Infektion einer Röntgenuntersuchung des Brustkorbs unterzogen werden.

Wir sind zutiefst besorgt über diese Situation, da die Begründung für ein derart langwieriges Verfahren unklar bleibt und nicht mit internationalen medizinischen Standards zur TB-Prävention und -Behandlung übereinstimmt. Der Überlebende wurde von unserer Crew unmittelbar an Bord isoliert, Kontakte wurden auf ein Minimum beschränkt und persönliche Schutzkleidung wurde durchgehend verwendet, bevor er – wie vorgesehen – an USMAF übergeben wurde.

Die Mantoux-Tests wurden weniger als 96 Stunden nach dem Erstkontakt durchgeführt – ein Zeitraum, in dem eine Infektion noch nicht nachweisbar ist. Internationale Richtlinien, wie die „European Union Standards for Tuberculosis Care (ESTC)“, weisen darauf hin, dass Hauttests unmittelbar nach einer Exposition medizinisch bedeutungslos sind, da die Immunreaktion erst Wochen später nachweisbar wird. Darüber hinaus wurde der Test universell angewendet, anstatt sich am tatsächlichen Risiko zu orientieren: wissenschaftliche Erkenntnisse und Richtlinien der Europäischen Atemwegsgesellschaft (ERS) sowie des ECDC belegen, dass eine relevante Übertragung eine längere, ungeschützte Exposition erfordert – was in diesem Fall nicht gegeben war.

Und trotzdem bleibt unsere Crew weiterhin an Bord eingeschlossen. Gemäss WHO-Richtlinien ist Isolation oder Quarantäne nur für Personen mit aktiver ansteckender Tuberkulose oder echten Hochrisikokontakten gerechtfertigt und muss stets das am wenigsten restriktive Mittel darstellen. Die derzeitige Festsetzung entbehrt daher sowohl medizinischer Begründung als auch ethischer Grundlage.

Unsere Bemühungen konzentrieren sich weiterhin darauf, unser Team an Bord – auch aus der Ferne – zu unterstützen, während sie zusätzlich zum anhaltenden Trauma nach dem Angriff durch die libysche Küstenwache, nun auch noch diese Situation durchstehen müssen. Ihre rasche Ausschiffung unerlässlich, um ihnen Zugang zu psychologischer Hilfe zu ermöglichen und ihre Verlegung in ein Umfeld sicherzustellen, das keinen Bezug zu dem kürzlich erlebten traumatischen Ereignis hat.

„Nachdem die libysche Küstenwache letzten Sonntag auf unser Team geschossen hat, sind wir nun gezwungen, diese ungerechtfertigte Isolation an Bord zu erdulden“, erklärt Angelo Selim, Such- und Rettungs- Koordinator an Bord der Ocean Viking. „Dies geschieht genau an dem Ort, an dem sich dieser lebensbedrohliche Vorfall ereignet hat, und hindert uns daran, uns physisch wie psychisch von dem traumatisierenden Erlebnis Abstand zu gewinnen“, so Selim abschliessend.

Foto Kredit: Tess Bartes / SOS MEDITERRANEE

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